2019
Filip Korunovski
FigurAktiv - Novi Sad
Jana Jakimovska
Dejan Djolevi
Beqiri & Mexhiti
Slobodan Miloseski
Igor Angelov
Drei Positionen
Debora
Steinhaus
EGO SUM...
18 Kolonie Wedding
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22.02. - 23.03.2019 EGO SUM...
Autoportrait-Ausstellung mit 18 Künstler*innen
Ana Bathe, Claudia
Christann, Katharina Behling, Karin Stuke, Tina Bara, Sandra Ratkovic,
Semra Sevin, Veronika Witte, Alen Hebilovic,
Armin Smailovic, Azimir Burzic, Luigi di
Crasto,
Joerg Waehner, Jovan Balov, Nihad Nino Pusija,
Tim Deussen, Savo Spasojevic, Sahin Sisic Sile
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EGO SUM... Treibstoff der Moderne
Kaum, dass ich mich an mein Spiegelbild gewöhnt habe, ist es
auch schon wieder verschwunden. Am deutlichsten wird das, wenn ich mir
Selfies vergangener Jahrzehnte betrachte. Dann sehe ich die Maske des
Alters mit einigen biometrische Signifikanten - mehr nicht. Vor 20 Jahren
hieß es noch nicht Selfies, und als Genre waren sie gänzlich unbekannt.
Die Handlungen‚ fototechnischer Selbstfixierung‘sind aber bis heute die
gleichen. Eine Ausstellung über Selbstportraits von Fotografen ist eine
großartige Idee, und müsste eigentlich höher gehangen werden. Wir leben -
heute mehr denn je - in Zeiten von Selbsttechniken. Neben Foto und Film
sind dies Audioaufnahmen und Druck. Gefühlsgebundene Techniken, die
maßgeblich unsere Moderne prägen. Jeder kennt den Schock, wenn er seine
Stimme zum ersten Mal über Lautsprecher hört. Techniken, an die wir uns
erst gewöhnen mussten, wie die Menschen im 19. Jahrhundert an die
Erfindung des Taschenspiegels. Dabei prallen Welten - die von Wirklichkeit
und Selbstwahrnehmung - aufeinander. Heute kontrollieren 14-Jährige ganz
selbstverständlich ihr Selbstbild mit dem Handy, bevor sie das Haus
verlassen. Dabei sind Frauen immer schon anderen Blickpolitik als Männer
ausgesetzt gewesen. 10 Fotografen (Künsler)und 8 Fotografinnen
(Künstlerinnen) werden in der Ausstellung „Ego Sum...“ im Projektraum
Prima Center Berlin gezeigt. Idee war es, einfach mal‘ zu fragen, welche
Fotograf*in Selbstbildnisse hat. Von Tina Bara wusste man es, denn sie
thematisiert sich seit den 1980er Jahren beständig selbst in ihren
Arbeiten. Anders als Katharina Behling, die man eher ihren SZ-Reportagen
und -Porträts kennt. Bei Jovan Balov ist das Gesicht als Landschaft schon
immer Thema. Im Gegensatz zu Nihad Nino Pušija, den seine fotografischen
Milieustudien auszeichnen.Nachdem all diese Fotograf*innen aus
unterschiedlichen Feldern kommen, ist die Frage nach ihren
Selbstvergewisserungstechniken um so spannender. Und je mehr Bilder dieser
Bilder man betrachtet, desto mehr tritt die Form in den Vordergrund. Fotos
ansehen heißt mit fremden Augen denken. Detektivisch untersucht man, ob
die Arbeit in Armeslänge, mit Zeit-, mechanischem oder pneumatischem
Selbstauslöser, über einen Spiegel, Selfie-Funktion oder dem Handy-Stick
gemacht ist, oder ob Normal- oder Weitwinkel verwendet wurde. Selbst die
Bildqualität - vom Handabzug bis zum Digiprint - wird wichtig. Dabei wird
die Form der Selbstvergewisserung oft mit zum Inhalt. So etwa, wenn Alen
Hebilovic‘ Kopf kochtopfgroß auf dem Regal neben dem Spiegelschrank im
Flüchtlingsheim erscheint, direkt neben dem seines Mitbewohners. Oder Ana
Bathe – ihr dienen Selbstporträts als Ausgangsmaterial für Selbstbefragung
und -verfremdung. Wie bei keinem anderen Genre schwingt beim
fotografischen Selbstporträt immer auch die Selbstkontrolle und die Idee
des Selbst als Werk mit. Historische Vorbilder gibt es viele: Man Rays
Solarisationen. Erwin Blumenfelds surreale Experimente. Helmuth Newtons
Krankenhausbilder. Lee Friedländers Selbstspiegelungen in Schaufenstern.
Claude Cahuns, Valie Exports oder Cindy Shermans Selbstinszenierungen oder
Nan Goldins Szenereportagen. Alle verlängern sie ihre Halbwertszeit um die
eines Fotos und machen sich damit zum Werk ihrer Selbst. Und das passiert
heute täglich milliardenfach auf der ganzen Welt, mehr oder weniger
bewusst. Diese Vorstellung der Gleichzeitigkeit ist kosmisch. In dem Sinn
erscheint die‚ Sorge um das Selbst‘ und seines Bildnisses gleichsam als
Treibstoff der Moderne.
Christoph Bannat
Autor und Künstler.
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