2017
DIE FARBE DER ZEIT
Marija Svetieva
Sasho Blazes
Taleski & Bulut
Angel Miov
Kristina
Bozurska
Mihaela
Jovanovska
Tocka
Punto Punkt
Tender
Talk
R. Lizdek & B. Milanovic & S. Rupic
Vanessa
Karre
Distorsion
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19.05. - 25.05.2017: Prima Center Berlin
19.05. - 04.06.2017: Galerija Toolbox & InteriorDAsein
Tocka Punto Punkt
Künstlerinnen und Künstler des Projekts:
Darko Brajković Njapo, Vedran Burul, Bruna Dobrilović, Slađan Dragojević,
Fernando, Lana Flanjak, Željka
Gradski,
Evin Hadžialjević, Slavica Isovska, Pamela Ivanković, Marija Jaensch, Marino
Jugovac, Radovan Kunić, Andrea Kustić, Edvard Kužina Matei, Gordana Kužina,
Miranda Legović, Xueh Magrini Troll, Milan Marin, Slavica Marin, Josip Mijić,
Gail Morris, Saša Pančić, Danilo Potočnjak, Dijana Rajković, Relja Rajković,
Nika Rukavina, Andrea Ružić Čović, Refik Fiko Saliji, Irena Škrinjar, Nina
Šperanda, Luiza Štokovac, Noel Šuran, Urša Valič, Asja Vasiljev, Andrej
Zbašnik, Marko Zelenko, Martin Zelenko,
(Die
Künstler Groznjan Künstlerkreis)
Kurator: Eugen Borkovsky
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Punkt; point; dot; punto; точка…
Dieses Projekt problematisiert, erläutert und illustriert ein künstlerisches
Element, und das ist der Punkt; die Ausstellung ist Teil einer Reihe, die
verschiedene künstlerische Elemente thematisiert. Die Künstler der
Ausstellung präsentieren Werke, die sich mit dem Phänomen Punkt
auseinandersetzen. Einige der Künstler stellen Fragen zur Bedeutung des
Punktes, andere interpretieren ihn durch technische Variationen. Das
Kriterium für die Auswahl der gezeigten Werke war, dass möglichst mehrere
Bedeutungsebenen zum Thema in den Werken wiederzufinden sein sollten. In
mehreren sind zwei Diskurse sichtbar. Verwendung des Punktes in der Kunst
und seine Bedeutung sowie Präsentation individueller und kollektiver
Bedeutungen des Punkts, Erforschung der sozial-politischen Bedeutung des
Punktes.
Die Ausstellung zeigt ein Spektrum engagierter Arbeiten mit imaginativem
Ansatz. Die meisten der ausgewählten Werke enthalten aktivistische,
teilweise anarchistisch gefärbte Haltungen, deren Spannbreite von Intimität
bis zu expliziten Botschaften reicht. Die ausgewählten Werke gehören
verschiedenen Stilen und Gattungen an. Sie eröffnen freie Möglichkeitsräume
durch das Modellieren von Formen, Nutzung verschiedener Materialien und
Medien sowie neuer Technologien.
Für Kunst ist gewiss wichtig, dass die Künstlerinnen und Künstler als
Individuen ihre eigenen Emotionen in ihre Werke einfließen lassen. Sie sind
keine Politiker, sondern Teilnehmer Aktionen, die direkt oder indirekt
reagieren und möglicherweise vor Gefahren der sozialen Realität ihrer Zeit
warnen, Zweifel an ihr äußern oder Kritik üben. Wir haben heute den Glauben
an Ideen verloren. Die in der Ausstellung gezeigten künstlerischen
Positionen zeichnen sich allesamt durch eine deutliche Skepsis gegenüber der
Gegenwart aus. Die Werke beschäftigen sich mit anthropologischen,
politischen und sozialen Themen. Im Gegensatz zu Werbung ist Kunst niemals
monofokal, sie verfolgt keine einzige Funktion, das heißt, sie ist
vieldeutig. Kritik an der postindustriellen Gesellschaft ist heute ubiquitär.
Auch ein zunehmendes Bewusstsein der Grenzen von Geschichtsschreibung
überhaupt ist zu vermerken, das heißt, wir glauben nicht mehr einfach, was
in den Geschichtsbüchern und vergleichbaren Publikationen steht. So gewinnt
der Zweifel an der Unfehlbarkeit westlicher Demokratie an Gewicht.
Die angeblich „einzig richtige“ soziale Ordnung zersetzt sich im außer Rand
und Band geratenen Turbokapitalismus selbst; Entlassungen werden in
fragwürdigen Statistiken kaschiert, die soziale Ungleichheit nimmt stetig zu,
das Prekariat wächst. Dabei wird dann immer behauptet, das Problem seien die
Einwanderer. Vielleicht spiegelt das sinkende subjektive
Sicherheitsempfinden der Bevölkerung – bezogen auf Kriminalität – die
tatsächlich sinkende soziale Sicherheit. Rechtspopulismus grassiert. Das
Individuum steht zerrissen zwischen der medialen Bilderflut vom idealen
Leben und seiner eigenen tatsächlichen Handlungsunfähigkeit.
Die Arbeiten der Ausstellung wirken wie eine Art Seismograf der unsicheren
Gegenwart. Viele Künstler beginnen zu erkennen, dass sie der westlichen
Demokratie völlig egal sind. Das System duldet sie nur. Das Schicksal des
Künstlers in der heutigen Zeit wird nicht nur durch seine Lage bestimmt,
sondern auch durch die Entscheidung, gesellschaftspolitisch engagiert oder
aber passiv zu bleiben. Wir leben in einer Zeit der Widersprüche. Die
Propagandamaschinen (etwa der Werbung) versprechen uns eine neue, schönere,
bessere und glitzernde Welt. Auf der anderen Seite werden wir ständig zu
Einsparungen gezwungen, und sie versuchen uns von der Notwendigkeit von
Kriegen zu überzeugen, die im Namen einer künftigen allgemeinen Wohlfahrt
geführt werden.
Im Glauben an die letztendliche Überlegenheit der Vernunft über die wilde
Geschäftemacherei habe ich Arbeiten gewählt, die den Zustand der Welt nicht
als passive Beobachter, sondern als Teilnehmende zeigen. Die Werke
erforschen, provozieren und regen Diskussionen an.
Grožnjan ist ein besonderer Ort der Kreativität; die ausgewählten
Künstlerinnen und Künstler stammen aus dem Umfeld dieses Zentrums. Jedes der
Werke nimmt mit einem ganz individuellen Ausdruck eine Befragung der Moderne
vor, mit einer breiten Spannbreite im Gestus von klarer und starker
Botschaft bis zur feinen Andeutung, von der Dokumentation zur Provokation.
Eugen Borkovsky, Übersetzung: Jovan Balov, Anna E. Wilkens
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